Krieg im nördlichen Harzvorland

Kriegsende im nördlichen Harzvorland

Cover des Buches

  • ISBN-13: 978-3864682490



Karte von der Festung Harz




Cover Rückseite



Inhaltsverzeichnis

Vorwort          7
Die Blitzluftschlacht von Oschersleben                                                                                    19
Der Weg der 83. US-Army nach Halberstadt, Gröningen und Barby                                      85
Anlagen                                                                                                                                   176
Krottorfer Briefe, Eine deutsche Mutter schreibt Briefe an ihren Sohn in Stalingrad            184
Gröninger Briefe-Brücke zur Front                                                                                         267
Krieg - Gedicht von Uwe Reinhardt                                                                                       284 Relikte des Krieges und der Not - Lebensmittelmarken                                                      285
Quellenverzeichnis                                                                                                                  294
Ein Wort des Dankes                                                                                                              296
Zum Autor                                                                                                                              298


Vorwort
Die Kriegsjahre von 1939-1945 hatten für die Geschichte unserer Heimat eine besondere Bedeutung.
Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von Bild- und Zeitdokumenten der Kriegs- u. Nachkriegszeiten in Kombination mit einmaligen Luftaufnahmen aus den Archiven der USA. Eine wesentliche Aufwertung der Darlegungen erbrachten romanhafte, autobiografische Textauszüge des Lehrers Dr. Manfred Majstraks, der an den Straßenkämpfen in Gröningen unmittelbar beteiligt war und Briefen einer Mutter, an ihren vermissten Sohn in Stalingrad.

Ein Stück Weltgeschichte hat 1945 seine Spuren im nördlichen Harzvorland hinterlassen. Man wird sich deshalb fragen dürfen, was damals, besonders in den schicksalsschweren Apriltagen, in unserer näheren Heimat geschehen ist.
Im Jahr 2002 hatte ich die Gelegenheit, eine Ablichtung der beiden „Gröninger“ Kapitel des Buches „Bis zum bittersüßen Ende“ des Verfassers Dr. Manfred Majstrak von unserem Mitbürger Fritz Ernst zu „ergattern“. Der Autor, der mit seinem Buch zugleich seine Doktorarbeit schrieb, damals ein junger Flieger, bis zum 11. April 1945 noch ohne einen Feindkontakt, beschreibt seine Lebensgeschichte und seine Erlebnisse bei den Kampfhandlungen zwischen den Amerikanern und den zurückweichenden deutschen Wehrmachtsoldaten. Schauplätze der Handlungen waren Kloster Gröningen, Gröningen und Kroppenstedt. Ich habe die 30 „Gröninger“ Seiten des 5 cm dicken Buches in einem Zuge durchgelesen und wieder von vorn angefangen. Diese hautnah erlebten Ereignisse aus meiner Heimat hatten mich sehr tief beeindruckt und neugierig auf den Verfasser und sein Schicksal gemacht.
Leider war damals die Adresse von Dr. Manfred Majstrak nicht bekannt, und so begann ich bei Bekannten und Verwandten nachzuforschen, ob an dieser Geschichte etwas „dran“ ist. Ich wurde nicht enttäuscht. Viele Erinnerungen ergänzten die Erlebnisse des jungen Fliegers „Majstrak“. „Genau so war es“, sagten meine Zuhörer, wenn ich diesen Bericht erwähnte. Aber keiner von allen hatte jemals zum Angriff der Amerikaner auf Gröningen etwas niedergeschrieben. Es war leider so, dass man uns, der „sozialistisch erzogenen Jugend“, vieles aus der Geschichte unserer Väter vorenthalten hat. Die zurzeit existierenden drei Chroniken über die Stadt Gröningen enden 1934 und beginnen erst wieder im Jahr 1946. Ganze 10 Zeilen verweisen darauf, dass der Krieg auch in unserer Heimat schlimmes angerichtet hat.
Das gesamte Thema „Der Zweite Weltkrieg“ war ein Tabuthema. Dr. Majstraks Darstellung hatte mich neugierig gemacht, und so begann ich die Geschichten der jetzt noch lebenden Zeitzeugen aufzuschreiben. Die beiden „Gröninger“ Kapitel, die als Kopien in unserer Stadt kursierten, hatten ein mir bisher unbekanntes Geschichtsbewusstsein aufkeimen lassen. Jeder, den ich ansprach, drängte mich: „Mensch, Ralf, das Buch musst du uns besorgen.“ Schon kurz danach hatte ich eines der letzten 2 Bücher von Herrn Majstrak dankbar erhalten und konnte es von Anfang bis Ende lesen. Ich habe seine Erlebnisse und seine Gedanken in mich aufgesogen.
Das Buch ist sehr anschaulich geschrieben, und man kann sich gut in die Zeit hineinversetzen. Viele Details, Karten, Fotos und die Beschreibungen der Charaktere, bereichern das Buch. Für mich war es auch völlig neu, wie ablehnend und ängstlich sich die zuvor „euphorische“, deutsche Bevölkerung, gegenüber den versprengten Soldaten verhielt. Einleuchtend war für mich auch die Erklärung, wie schwer einem nach einer politischen Indoktrination ein Sinneswechsel fällt.
Ähnlich erging es uns „Ostdeutschen“ nach der „Wende“. Ich selbst dachte nach meinem Studium immer: „Wir sind die „bessere deutsche Seite“. Leider musste auch ich, wie der damalige, 20- jährige Flieger „Majstrak“, erkennen, dass wir nicht umfassend informiert waren über die Hintergründe unserer sozialistischen Gesellschaft. Ich bin heute sehr froh, dass ich das Buch „Bis zum bittersüßen Ende“ für meine Stadt Gröningen erwerben konnte. Es befindet sich derzeit im Heimatmuseum in Kroppenstedt und kann dort eingesehen werden. Man kann es neuerdings auch wieder im Buchhandel erwerben.
Die Aufarbeitung des dargebotenen Geschichtsstoffes, in einer hervorragend gelungenen, nachzuempfindenden Dokumentation, ist zugleich die Aufarbeitung unserer Heimatgeschichte. Jetzt wissen wir, wer die „Verteidiger“ von Gröningen waren. Sie haben Namen und Gesichter bekommen: Junge Flieger, die einmal „hoch hinaus“ wollten, haben hier bis zum „bittersüßen Ende“ gekämpft, gelitten und unheilvolle Erfahrungen gemacht. Dreiundzwanzig junge amerikanische und deutsche Soldaten mussten ihr Leben sinnlos opfern. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass 350 Gröninger aus diesem Krieg nicht heimgekehrt sind.
Auf der Grundlage der Erlebnisse von Dr. Manfred Majstrak und Gröninger Zeitzeugen, entstand 2005 die kleine Broschüre „Shermanpanzer in Gröningen“.
Der Ablauf der geschilderten Erlebnisse wurde damals chronologisch nach den jeweiligen Tageszeiten geordnet. Als leidenschaftlicher Fotograf konnte ich zu den jeweils beschriebenen Szenen am 11. April 2003 tag- und zeitgenaue Fotos fertigen, um dem Leser einen Eindruck vom Ablauf der Geschehnisse zu vermitteln.
Im Laufe der Jahre sammelte sich jedoch ständig neuer Stoff, den mir meine Heimatfreunde zusandten, an. Hinzu kamen auch lokale Beiträge aus Zeitungen und interessante Ausarbeitungen im Internet. Dadurch war eine Ausweitung meiner ersten Broschüre „ Shermanpanzer in Gröningen“ auf die Region des nördlichen Harzvorlandes zwingend erforderlich. Leider konnte ich dies nicht für jeden einzelnen Ort realisieren, da die letzten Zeitzeugen verstarben oder schon weit über 80 Jahre alt sind.
Schon im Voraus bitte ich um Verständnis für einige geringfügige Widersprüche in den Aussagen der einzelnen Zeitzeugen, weil nach über 67 Jahren die Erinnerungen ineinander verschwimmen. Es kann daher kein Anspruch auf Vollständigkeit und endgültige Wahrheit erhoben werden. Bedenken sie auch, dass ich nur ehrenamtlicher Ortschronist/ Heimatforscher und kein ausgebildeter Geschichtswissenschaftler bin.
In der vorliegenden Zusammenfassung werden die Ereignisse ab 1939 näher beleuchtet, wobei die damalige Gröninger Zeitung mit der Rubrik „Gröninger Brief – Brücke zur Front“ kommentarlos abgelichtet worden ist. Leider stellte mir die Nationalbibliothek in Leipzig die fehlenden Ausgaben nicht zur Verfügung, warum auch immer! Ich denke, 67 Jahre nach dem Krieg kann jeder für sich beurteilen, was Politik und faschistische Propaganda für das deutsche Volk und die Welt mit sich brachten. Sie lieferten nur Unglück, Sorgen, Angst und Bangen, wie die einfühlsamen Briefe einer deutschen Mutter aus Krottorf, die zwei Söhne im Krieg verlor, eindeutig belegen. So etwas darf es nie wieder geben!
Sollte irgendwo in diesem Buch ein etwaiger Verdacht aufkeimen, so möchte ich schon im Vorfeld beteuern, dass eine Verherrlichung der Kriegsgeschehnisse von mir in keiner Weise gewollt und auch nicht angebracht wären.
Sollten Sie fehlerhafte Angaben sichten, bin ich für einen Anruf unter der Nr. 0173 8 123 859 dankbar.
Ralf Staufenbiel




Leseprobe:


Gröningen, 11. April, gg. 18:00 Uhr:

Der Kampf um die Panzersperre am Halberstädter Tor

Beitrag von Dr. Manfred Rök

Dr. Manfred Rök lernte ich telefonisch kennen. Er pflegte das Soldatengrab des Leutnant Theodor Dibold auf dem Gröninger Friedhof. Zunächst dachte ich, dass er ein Verwandter, des Dibold war, aber er klärte mich dahingehend auf, dass es sich um seinen ehemaligen Kompaniechef handelt.
Er fand das Grab nach der Wende - bei einer Reise in die Vergangenheit.
Zum 11. April befragt, teilte er mit, dass sie erst in den frühen Nachmittagsstunden nach Gröningen kamen: „Wir waren eine „chaotische Kamikazetruppe[1]“, die mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen hatte – dementsprechend wollten wir auch kämpfen und sterben. Von Angst und Kapitulation war nie die Rede, und so kann ich es nicht ausschließen, noch aber auch nicht bestätigen, dass der Ortsgruppenleiter Curt Schwerdfeger von unseren Leuten angeschossen wurde, um die Verteidigung nicht zu behindern.
Zum Zeitpunkt des Angriffs der Amerikaner befand ich mich im Wohnhaus der Fam. Heinrich Dittmer, einer Bäckerei, die direkt an der Panzersperre lag. Noch kurz vor Ankunft der Amis haben wir die Rollen auf die Straße geschoben und alles dicht gemacht. Flankenschutz bekamen wir vom Volkssturm, der aus Richtung der Fleischerei Mauß[2] schoss.
Als der erste Panzer die Sperre in Angriff nahm, versuchte Leutnant Dibold von einem Fenster der 1. Etage aus, mit einer Panzerfaust auf ihn zu schießen. Ich selbst hörte plötzlich einen ohrenbetäubenden Knall, wobei sämtliche Tassen und Teller aus den Schränken fielen. Die Amis hatten mit dem Panzer eine Lücke in die Scheune von Stolze und Reich geschossen, um vermutlich besser sehen zu können, wie es hinter der Sperre aussah. Kurze Zeit später brannte sie. Unseren Leutnant, der als Mensch und Vorgesetzter gesehen, ein prima Kerl war, fanden wir kurz danach unter dem Fenster der 1. Etage. In einer Blutlache liegend erkannten wir, dass sein halber Kopf fehlte. Vermutlich hat ihn eine Maschinenpistole oder Maschinengewehr getroffen, denn man konnte die Salve an der Wand weiter verfolgen Unsere Truppe zog sich dann auf Grund des Angriffsdrucks in Richtung Stadtmitte zurück. Der Krieg endete für uns an der Elbe, wo wir am 13. April in amerikanische Gefangenschaft gingen.“

 Zum Tod von Ltn. Theodor Dibold besteht aber auch noch eine andere Version, wie mir sein Neffe Dr. Florian Wendl in einem Brief aus München mitteilte:

„Meine Mutter, die in den 50er Jahren das Grab auf dem Friedhof besuchte, fand damals in Gröningen eine Mauer des Schweigens vor.

Nur der Pfarrer teilte meiner Mutter mit, dass es vermutlich einheimische Gröninger waren, die meinen Onkel Theodor mit einer Maschinenpistole erschossen haben, weil er nicht aufgeben wollte.“

In diesem Zusammenhang wurde auch erwähnt, dass es zwischen den Einwohnern und den vorher gut mit Alkohol versorgten Soldaten, zu internen Schießereien kam, in deren Folge Curt Schwerdfeger, angeschossen wurde, möglicherweise durch Ltn. Dibold.[3] Dadurch konnte die weiße Fahne nicht mehr an der Panzersperre, als Zeichen der Übergabe der Stadt, befestigt oder gezeigt werden. Infolge starben weitere Soldaten.



[1] Anm.: Er gehörte zu den Fliegern, die als Rammjäger ausgebildet worden waren und zum Glück nicht mehr eingesetzt wurden.
[2] Anm.: jetzt Grundstück von Jens Keim in der Bodestraße.
[3] Anm.: Diese Aussage deckt sich mit dem Hinweis von Christa Wehrstedt. Demnach hat wohl Theodor Dibold den Curt Schwerdfeger angeschossen.








Holzmarkt und Halberstädter Rathaus (Bildmitte)
nach dem Bombenangriff am 8. April 1945
Fischmarkt in Halberstadt nach dem Bombenangriff

Luftkrieg bei Halberstadt


Flugplatz der AGO Oschersleben


Der rechtsseitige US-Artillerist war am 11. April 1945 in Gröningen dabei.

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